Graz: Die Perlenfischer – Premiere – 17. Dezember 2022
Gutes Musiktheater mit starker musikalischer Interpretation
Die Perlenfischer und ihre Frauen
Was war denn das?! Man ist es ja schon gar nicht mehr gewohnt, mal einen Opernstoff, und sei er noch so mythisch unterlegt wie „Die Perlenfischer“ des jungen Georges Bizet, nicht in die Gegenwart oder eine klar definierte Vorzeit versetzt zu sehen – mit dem über allem stehenden Regiekonzept. Und ganz ehrlich, auch wenn jetzt einige die Nase rümpfen, es tut recht gut! Die Inszenierung der Grazer „Perlenfischer“ an der Oper Graz durch den auch für das Bühnenbild verantwortlichen Ben Baur und Beate Vollack mit den Kostümen von Uta Meenen und der Lichtregie von Helmut Weidinger geriet wie aus einem Guss.
Leïla
Dafür war ihre ästhetisch ansprechende Bilderwelt in einer geheimnisvollen Fremde, in gewisser Weise eine parabelhafte Allegorie statt plakativer Realität, sowie die exzellente musikalische Leitung von Marcus Merkel verantwortlich, der mit den Grazer Philharmonikern die Schätze der Bizetschen Instrumentierung, wie die besonders farbenreiche Harmonik und einiges andere, szenisch stets passend und den theatralen Eindruck musikalisch verstärkend zu interpretieren wusste. Merkel mit seinem Orchester stand in dieser Inszenierung auf absoluter Augenhöhe mit der Inszenierung, was im modernen Regietheater oft nicht der Fall ist.
Leïla bei ihrer großen Arie
Das Regieteam wollte eine Welt aus einer anderen, ihrer Phantasie entstehen lassen, also das Stück keiner bestimmten Zeit zuordnen. So eröffnete sich dem Publikum eine weite Assoziationsreise, wie es eine Reise ins alte Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, immer noch darstellt. Das hat man bei guter Personenführung mit großen Steinen und Felsen, die oft an den Stränden der Perlenfischer liegen, und mit geschmackvollen Pastellfarben auf dem Bühnenhintergrund sowie einer guten Lichtregie bewirkt.
Leïla mit Nadir
Auch die Kostüme zeugen von exotischer Ferne, lassen aber die ganz intimen zwischenmenschlichen Probleme umso klarer hervortreten. Nourabad wacht über allem wie eine fast göttlichen Respekt gebietende Eminenz. Drei greise Frauen, vielleicht ehemalige Priesterinnen, sollen die große Bedeutung der Frauen in der Welt der Perlenfischer zum Ausdruck und somit das Schicksal Leïlas stärker zur Geltung bringen. Starke Gesichtsbemalung, rituelle Kleidung und Ganzkörperbemalung, sowie fantasievoller Kopfschmuck verstärken die exotische Ästhetik.
Der Chor
Bernhard Schneider bereitete den Chor & Extrachor der Oper Graz nicht nur stimmlich bestens vor. Das Ensemble ist auch dramaturgisch elementar in die Handlung eingebunden, getreu seiner bei Bizet und den Librettisten Eugène Cormon und Michel Carrè vorgesehenen Rolle. So wurde auch der dramatische Wechsel des Chores von der überschwänglichen Akzeptanz des Zurga als neuem Führer zu seiner Verurteilung zum Tode am Schluss nachvollziehbar gestaltet. Dieser erfolgte dann mit mehreren Messerstichen auf äußerst brutale Weise.
Zurga mit Nadier und LeÏla: "Flieht!"
Die junge Ukrainerin Tetiana Miyus ist eine regelrechte stimmliche Entdeckung als Leila. Nuancenreich bei äußerst einfühlsamem Spiel singt sie die Rolle mit einem lyrisch timbrierten wohlklingenden Sopran, der auch zu dramatischen Momenten fähig ist. Herrlich ihre große Arie im 2. Akt und die Duette! Sie spielt auch mit viel Emotion. Der Pole Dariusz Perczak hat einen kraftvollen Bariton für den Zurga und verkörpert die Rolle des Anführers imposant. Andrzej Lampert, ebenfalls Pole, kann mit einem etwas verquollenen Tenor als Nadir auf diesem Niveau nicht mithalten. Der Süd-Koreaner Daeho Kim ist ein souveräner Nourabad.
Das Ende Zurgas
Eine stimmige Interpretation der „Perlenfischer“ in mystischer Ästhetik in Graz! Sieben weitere Vorstellungen bis zum 7. April 2022.
Fotos: Werner Kmetitsch
Klaus Billand